CMD ist die Abkürzung für „cranio-mandibuläre Dysfunktion“ – ein Begriff, der eine Vielzahl von funktionellen Störungen im Zusammenspiel zwischen Schädel (Cranium) und Unterkiefer (Mandibula) umfasst. Bei CMD handelt es sich nicht um eine klar umrissene Einzelkrankheit, sondern vielmehr um ein komplexes Beschwerdebild mit unterschiedlichen Ursachen und vielfältigen Symptomen. Im Zentrum steht eine gestörte Funktion im Bereich des Kiefergelenks sowie der Kaumuskulatur, was weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Körper haben kann.
Diese Fehlfunktionen führen oft zu einer gestörten Bisslage, bei der Ober- und Unterkiefer nicht optimal aufeinandertreffen. Ausgelöst wird das meist durch eine Kombination struktureller, funktioneller und psychischer Faktoren. Bei Betroffenen kann sich dies in ganz verschiedenen Beschwerden äußern – von Schmerzen im Kopf- und Gesichtsbereich bis hin zu Verspannungen im Nacken oder Rücken. Auch ein Knacken oder Reiben in den Kiefergelenken sowie Zahnabrieb durch nächtliches Zähneknirschen sind typische Anzeichen.
Ein wichtiger Aspekt: CMD ist grundsätzlich gut behandelbar, vor allem wenn sie frühzeitig erkannt wird. Neben zahnärztlichen Maßnahmen wie Aufbissschienen kann die Physiotherapie eine zentrale Rolle im interdisziplinären Behandlungskonzept einnehmen. In manchen Fällen ist – wenn alle konservativen Optionen ausgeschöpft wurden – auch ein chirurgischer Eingriff erforderlich.
Das Krankheitsbild
Die cranio-mandibuläre Dysfunktion lässt sich – abhängig von den zugrunde liegenden Ursachen – in verschiedene Formen einteilen. Häufig liegt eine muskuläre Dysbalance im Bereich der Kau- und Halsmuskulatur vor. Diese Muskeln sind essenziell für die Beweglichkeit des Unterkiefers. Sind sie dauerhaft überlastet oder verspannt, treten Schmerzen auf – sowohl bei Kaubewegungen als auch in Ruhephasen.
Eine andere Ursache sind strukturelle Veränderungen im Kiefergelenk, etwa durch degenerative Prozesse wie Arthrose, Fehlbildungen oder entzündliche Erkrankungen. Hierbei können alle Bestandteile des Gelenks betroffen sein: von der Gelenkkapsel über die Bänder bis hin zur Knorpelscheibe (Diskus) oder dem Kieferknochen selbst. Oft liegt auch eine fehlerhafte Diskusposition oder eine Bewegungseinschränkung der Knorpelscheibe vor, was zusätzliche Beschwerden verursacht.
In der Praxis treten viele dieser Störungen kombiniert auf und verstärken sich gegenseitig. Die Symptome sind entsprechend vielfältig: Schmerzen in Kopf, Nacken, Schulter oder Rücken, Knack- und Reibegeräusche im Kiefergelenk, Einschränkungen bei der Mundöffnung sowie Spannungsgefühle im Gesicht. Auch psychische Belastungen wie Stress können das Beschwerdebild verstärken.
Nicht selten dauert es lange, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Viele Patienten haben bereits eine Odyssee durch verschiedene Arztpraxen hinter sich, ohne dass die Ursache ihrer Beschwerden gefunden wurde. Dies liegt daran, dass CMD sehr unterschiedliche Symptome hervorrufen kann, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit dem Kiefergelenk in Verbindung gebracht werden. Umso wichtiger ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, Physiotherapeuten und anderen Fachrichtungen. Mit einer gesicherten Diagnose stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung gut.
Wer ist betroffen?
CMD ist keine seltene Erkrankung: Schätzungen zufolge leiden etwa 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zumindest zeitweise unter Symptomen einer cranio-mandibulären Dysfunktion. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Auch Jugendliche und junge Erwachsene weisen zunehmend Beschwerden im Bereich von Zähnen, Kiefer und Kaumuskulatur auf.
Eine wichtige Rolle spielt dabei der steigende Alltagsstress in Beruf, Schule oder Familie. Unsere moderne Leistungsgesellschaft verlangt oft ständige Erreichbarkeit, Perfektion und hohe Belastbarkeit – was nicht selten zu innerer Anspannung und psychischer Überforderung führt. Der Körper reagiert darauf unter anderem mit nächtlichem Zähneknirschen oder Zähnepressen, was wiederum CMD-Symptome begünstigt.
Trotz der weiten Verbreitung wird CMD häufig nicht als eigenständige Ursache für Schmerzen erkannt. Viele Betroffene suchen zunächst Hilfe bei Hausärzten, Orthopäden oder Neurologen, ohne dass ihre Beschwerden gelindert werden. Eine gezielte Diagnostik durch spezialisierte Fachkräfte ist daher entscheidend.
Die Ursachen
Die Ursachen für eine CMD sind vielfältig und meist multifaktoriell. Häufig steht eine Überlastung oder Fehlfunktion der Kaumuskulatur im Mittelpunkt, aber auch strukturelle Abweichungen im Bereich der Zähne und Kiefer können ausschlaggebend sein.
Eine sogenannte Malokklusion – also ein fehlerhafter Zusammenbiss – tritt beispielsweise auf, wenn Zahnkronen oder Brücken schlecht angepasst sind, Zahnlücken bestehen oder durch Zähneknirschen bereits Abrieb entstanden ist. Auch kieferorthopädische Anomalien wie ein Kreuzbiss oder ein offener Biss können die Belastungsverhältnisse im Kiefergelenk ungünstig verändern.
Zusätzlich können funktionelle Störungen der Halswirbelsäule oder des Beckens zu Fehlhaltungen führen, die sich auf das Kiefergelenk auswirken. Die Muskulatur des Kopfes, Gesichts und Kausystems reagiert oft mit Verspannungen auf diese Ungleichgewichte, wodurch ein Teufelskreis entstehen kann.
Psychische Belastungen spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Wer unter dauerhaftem Stress steht, verarbeitet diesen häufig unbewusst über den Kiefer – durch nächtliches Knirschen oder unbewusstes Pressen der Zähne. Diese kompensatorischen Mechanismen können langfristig zu strukturellen Schäden führen und bestehende Beschwerden verschlimmern.
Die Symptome
Die Symptomatik der CMD ist breit gefächert und individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ein typisches Leitsymptom ist Spannungsschmerz im Kopfbereich, der häufig mit Migräne oder chronischen Kopfschmerzen verwechselt wird. Weitere mögliche Anzeichen sind:
- Schmerzen im Kiefergelenk, insbesondere beim Kauen oder Öffnen des Mundes
- Knacken oder Reibegeräusche im Kiefer
- Einschränkungen der Mundöffnung (sogenannte Kieferklemme)
- Gesichtsschmerzen oder Taubheitsgefühle im Gesichtsbereich
- Ohrgeräusche (Tinnitus) oder Druckgefühle in den Ohren
- Schluckbeschwerden und ein „Kloßgefühl“ im Hals
- Nacken- und Rückenschmerzen
- Sehstörungen durch Muskelverspannungen
Gerade weil die Beschwerden so vielseitig sein können, bleibt die Diagnose oft eine Herausforderung – selbst für erfahrene Fachkräfte. Wichtig ist daher, bei unklaren oder chronischen Schmerzen auch an eine CMD als mögliche Ursache zu denken.
Die Therapie
Die Behandlung der CMD erfolgt in der Regel interdisziplinär – mit Zahnärzten, Physiotherapeuten und ggf. Psychologen, die gemeinsam ein individuelles Therapiekonzept entwickeln. In der Physiotherapie steht dabei eine ganzheitliche Herangehensweise im Vordergrund.
Nach einer ausführlichen Anamnese und einem gezielten Befund des Kiefergelenks kommen verschiedene Maßnahmen zur Anwendung. Dazu gehört die manuelle Therapie, um Blockaden zu lösen und die Mobilität des Gelenks zu verbessern. Gezielte Dehn- und Kräftigungsübungen helfen, muskuläre Dysbalancen auszugleichen. Ergänzend wirken Entspannungstechniken wie Massagen, Atemübungen oder Triggerpunktbehandlungen unterstützend gegen Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich.
Auch die Haltungsschulung ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie, denn eine aufrechte Körperhaltung entlastet das Kiefergelenk und kann Fehlbelastungen reduzieren. Darüber hinaus ist es wichtig, den Patienten aktiv in den Behandlungsprozess einzubeziehen. Durch Übungen für zu Hause kann der Therapieerfolg langfristig gesichert werden.
Wie bei vielen funktionellen Erkrankungen gilt auch bei CMD: Der Therapieansatz muss ganzheitlich sein. Nur wenn neben der körperlichen auch die psychische und soziale Komponente berücksichtigt wird – also z. B. beruflicher Stress, familiäre Belastungen oder Bewegungsmangel – kann eine nachhaltige Verbesserung erzielt werden.
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