Dehnübungen gehören für viele heute zum Alltag: um in Schwung zu kommen gleich nach dem morgendlichen Aufstehen, nach langem Sitzen währen der Arbeit, zum Aufwärmen vor dem Sport, zur Erholung nach dem Sport oder einfach als regelmäßige Fitness-Übung. Aber es gibt auch Experten, die vor Dehnübungen warnen. Schließlich kann man es auch übertreiben. Und wer an das Dehnen denkt, hat oft bereits Schmerzen in den Muskeln, nur vom Gedanken daran. So muss das nicht sein – im Gegenteil, es sollte nicht so sein. Dehnen ist gesund und nützlich, aber man sollte es klug angehen!

Was ist Dehnen überhaupt?

Im Allgemeinen differenzieren wir zwischen zwei Dehnmethoden: dem dynamischen und dem statischen Dehnen. Beide Ansätze haben ihre Daseinsberechtigung.

Dynamisches Dehnen beinhaltet Bewegungsabfolgen, die die Muskulatur durch einen vollständigen Bewegungsradius führen, dabei jedoch nicht lange in einer Stellung verharren. Diese Technik unterstützt die Aktivierung der Muskulatur und fördert die Beweglichkeit, insbesondere vor sportlichen Betätigungen. Experten im Bereich der Sportwissenschaft schätzen das aktiv-dynamische Dehnen als besonders effektiv, wenn es darum geht, sich auf eine sportliche Betätigung vorzubereiten.

Im Gegensatz dazu wird beim statischen Dehnen, auch oft als Stretching bezeichnet, die Muskulatur in einer bestimmten Stellung gedehnt und über einen gewissen Zeitraum gehalten. Diese Variante des Dehnens trägt zur Verbesserung der Flexibilität bei, entspannt die Muskeln und fördert die Blutzirkulation. Sie eignet sich besonders gut als regenerativer Bestandteil nach körperlicher Anstrengung.

Tipp: Was genau passiert beim statischen Dehnen? Man begibt sich in eine Stellung, in der ein sanfter Schmerz spürbar wird, und verweilt dort. Nimmt der Schmerz ab, korrigiert man die Haltung minimal, um den leichten Schmerz beizubehalten. Nach ungefähr 30 bis 45 Sekunden kann man die Position auflösen. Auf diese Weise können häufig unkomplizierte Muskelverspannungen gelöst werden.

Was passiert beim Dehnen eigentlich?

Wenn man beispielsweise die Wadenmuskeln durch das Heben der Fußspitzen dehnt, wird ein komplexer innerer Prozess gestartet. Proteine, die für die Muskelkontraktion verantwortlich sind, werden auseinandergezogen. Das umliegende Bindegewebe bietet Widerstand, um sicherzustellen, dass der Muskel durch die Dehnung keinen Schaden nimmt. Wie sich das anfühlt, kann man gut nachvollziehen, wenn man einen verspannten Nacken hat und den Kopf zur Gegenseite neigt, um die Muskeln zu dehnen.

Vorsicht beim Dehnen

Beim Dehnen sollte niemand ernsthaft Schmerzen erleiden. Im Gegenteil: während des Dehnens müssen Beschwerden abnehmen. Übungen sollten behutsam begonnen werden, wobei man auf das eigene Empfinden und innere Timing achten sollte. Es ist wichtig, selbst herauszufinden, welche Dehnmethoden sich individuell angenehm anfühlen. Zu Beginn empfiehlt es sich, vorsichtig zu dehnen, um das Gewebe nicht zu belasten. Besonders beim statischen Dehnen ist es wichtig, nicht zu lange oder zu intensiv gedehnt zu bleiben.

Es gibt keine feste Obergrenze für die Anzahl sinnvoller Dehnsitzungen pro Woche. Für die meisten Menschen hat sich gezeigt, dass drei Trainingstage pro Woche mit jeweils 15 bis 20 Minuten eine gute Orientierung bieten. Wird zu intensiv gedehnt droht ein Muskelkater. In bestimmten Situationen, wie bei bereits vorhandenem Muskelkater, sollte das Dehnen gänzlich vermieden werden. Muskelkater signalisiert, dass das Muskelgewebe gerade heilt und kleine Faserrisse repariert werden. Beim intensiven Dehnen in diesem Zustand kann die Schädigung der Muskeln zunehmen.

Auch bei Verletzungen ist Vorsicht erforderlich. Ein verletzter Muskel sollte keinesfalls gedehnt werden, da dies lediglich die Erholungszeit verlängern würde.

Wie sinnvoll ist Dehnen bei Büroarbeit

Der Rücken bereitet Schmerzen und der Nacken fühlt sich angespannt an. Ständiges Sitzen über einen Zeitraum von acht Stunden täglich hinterlässt deutliche Spuren. Personen, die im Büro tätig sind, sollten unbedingt darauf achten, durch körperliche Aktivität einen Ausgleich zu schaffen. Andernfalls besteht das Risiko, dass Muskeln, Sehnen und Bänder an Elastizität verlieren.

Wie sinnvoll ist Dehnen im Alter?

Viele Menschen sehnen sich nach Flexibilität und Beweglichkeit. Doch mit dem Älterwerden nimmt häufig auch die Starrheit zu. Regelmäßiges Dehnen, das fest in den Alltag integriert werden sollte, kann Muskelverspannungen vorbeugen. Im fortgeschrittenen Alter ist das Stretching ein wesentlicher Bestandteil, um die Flexibilität zu bewahren. Nur durch gut funktionierende Muskeln und Sehnen lassen sich Stürze vermeiden und die Stabilität des Körpers sichern. Bereits wenige Minuten Dehnen der Hauptmuskelgruppen alle zwei Tage ab dem 45. Lebensjahr können sehr nützlich sein. Da beim statischen Dehnen jedoch leicht Fehler gemacht werden können, sollten besonders Senioren individuelle Beratung bei einem Physiotherapeuten suchen. Ein Physiotherapeut beurteilt die altersbedingten Einschränkungen des Bewegungsapparates und erstellt gemeinsam mit Ihnen einen optimalen Plan für Dehnübungen.

Wie sinnvoll ist Dehnen beim Sport?

Vor dem Sport schwören manche auf das Dehnen, während es andere danach praktizieren und einige es für völlig unnötig halten. Diese Debatte betrifft nicht nur Sportler, sondern auch die Wissenschaft.

„Ob Dehnen vor oder nach dem Sport sinnvoll ist oder nicht, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert“, sagt zum Beispiel Christiane Wilke vom Institut für bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule in Köln. Vieles laufe am Ende auf persönliches Wohlbefinden hinaus. Und auch das sei im Sinne des Sports ja ein nicht zu vernachlässigendes Argument. „Manche fühlen sich subjektiv einfach gut damit und schwören darauf, andere langweilen sich dabei und vernachlässigen es deshalb. Wer im Sinne der Wissenschaft nun richtig handelt, ist nicht so leicht festzustellen.“ (zitiert nach envivas Krankenversicherung AG)

Nun sind Aufwärmen und Dehnen nicht dasselbe.

Statische Dehnübungen vor dem Training können die Muskelkraft aber um bis zu 30 Prozent reduzieren und so das Verletzungsrisiko erhöhen. Längeres Halten einer Dehnung senkt die Muskelspannung (Muskeltonus) – nützlich nach einem intensiven Training, aber nicht davor. Denn gedehnte Muskeln können sich nicht mehr so schnell und stark anspannen. Anders verhält es sich bei Leistungssportlern wie Turnern, die aufgrund ihrer extremen Gelenkigkeit spezielle Dehnübungen unbedingt benötigen.

Ein moderates Aufwärmprogramm ist vor dem Sport fast immer sinnvoll, um Verletzungen vorzubeugen. Dabei steigt die Körpertemperatur und die Durchblutung wird angeregt. Auf der Stelle laufen, hüpfen oder Kniebeugen reichen oft aus.

Nach dem Aufwärmen folgt die Mobilisierung: Dabei sollten gezielt die Bereiche trainiert werden, die belastet werden. Für Skifahrer sind das beispielsweise Beine und Knie, während bei Tennisspielern neben den Beinen auch Schultern, Arme und Hände gefordert sind. Besonders bei Sportarten mit vielen Richtungswechseln ist das Aufwärmen wichtig. Bei Ausdauersportarten wie Laufen oder Radfahren sind die Bewegungen gleichmäßiger.

Dehnen bedeutet also nicht nur, die Elastizität zu fördern, sondern auch die Spannung zu verringern. Vor schnellen Sportarten wie Springen, Werfen oder Sprinten ist Dehnen kontraproduktiv, da es die Muskelspannung senkt und die Schnellkraft verringert. Nach dem Sport ist Dehnen ideal, um von Anspannung zu Entspannung zu wechseln. Übrigens: Muskelkater lässt sich durch Dehnübungen leider nicht verhindern.

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Physiotherapie stellt den Menschen in den Mittelpunkt. In einem ganzheitlichen Ansatz geht es um die Wiederherstellung der natürlichen Körperfunktionen insbesondere – aber nicht nur – durch Bewegungstherapien. Im Therapiezentrum am Hallo arbeiten Experten mit physiotherapeutischer, ergotherapeutischer, osteopathischer, Reha- und ernährungsmedizinscher Ausbildung Hand in Hand an einer patientenzentrierten Gesundheitstherapie. Denn im Mittelpunkt der Physiotherapie steht der Mensch.

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